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Gedichte
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Gottfried Benn
*02.05.1886 in Mansfeld (Westprignitz) als Sohn eines lutherischen Pfarrers.
Schriftsteller und Arzt. Er begann 1903 das Studium der Theologie und Philosophie
in Marburg, 1905 jedoch Medizinstudium in Berlin. Nach seinem Posten als Unterarzt
im Prenzlauer Infanterieregiment Pathologe und Serologe an Berliner Krankenhäusern.
Der Gedichtband "Morgue" erregt großes Aufsehen - er stellt die herkömmliche Vorstellung
von Lyrik radikal in Frage. Die Provokation seiner Lyrik beruht vor Allem auf der
Darstellung der Banalität der menschlichen Existenz und ihres körperlichen Verfalls.
Außerdem ist seine künstlerische Methode, sein artistischer Umgang mit Sprache neuartig
und beeinflußt die expressionistische Lyrik.
Im besetzten Brüssel wird Benn Oberarzt im ersten Weltkrieg, es entstehen die sog.
Rönne-Novellen. 1917 lässt er sich in Berlin nieder als Dermatologe und Venerologe, in seinen
Gedicht- und Prosasammlungen "Gehirne" und "Fleisch" verarbeitet er die Kriegserfahrungen.
1932: Wahl in die Preußische Akademie der Künste. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler
im März 1933 bleibt Benn in Berlin, auch als bedeutende Künstler die Akademie verlassen.
In den Rundfunkvorträgen "Der neue Staat und die Intellektuellen" und "Antwort an die
literarischen Emigranten" verteidigt er den Nationalsozialismus, von dem er eine Wiedergeburt
der deutschen Nation erhofft. 1935: Benn wird Sanitätsoffizier in Hannover. Zu seinem 50. Geburtstag
erscheint der Band "Ausgewählte Gedichte", die von der SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps" als
"widernatürliche Schweinereien" attackiert werden. 1938: Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer
und Schreibverbot. Heirat mit Herta von Wedemeyer.
1945: Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt sich seine Frau, weil sie ohne Nachricht von Benn bleibt,
das Leben. Kurz darauf kehrt er nach Berlin zurück und praktiziert wieder als Arzt.
1948: In der Schweiz erscheint die Lyriksammlung "Statische Gedichte", die seinen späten Ruhm
begründet. Mit drei neuen Publikationen (Lyrik, Essays, Prosa) gerät Benn wieder in das Bewußtsein
der literarischen Öffentlichkeit und beeinflußt mit seinem Spätwerk die deutsche Nachkriegslyrik
maßgeblich. Benn wird von den zurückkehrenden Exilschriftstellern wegen seiner Haltung im Nationalsozialismus
kritisiert. Die nachfolgende Schriftstellergeneration verehrt ihn jedoch wegen seines modernen Stils.
In seiner Autobiographie "Doppelleben" rechtfertigt er sein Verhalten im Nationalsozialismus.
Er erhielt 1951 den Georg-Büchner-Preis. Am 07.07.1956 stirbt Benn in Berlin an Krebs.
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Astern - 1936
Astern - schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann.
Die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.
Noch einmal die goldenen Herden
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?
Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du -
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu.
Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewißheit wacht:
die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.
Kreislauf - 1912
Der einsame Backenzahn einer Dirne,
die unbekannt verstorben war,
trug eine Goldplombe.
Die übrigen waren wie auf stille Verabredung
ausgegangen.
Den schlug der Leichendiener sich heraus,
versetzte ihn und ging für tanzen.
Denn, sagte er,
nur Erde soll zur Erde werden.
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Ralph Waldo Emerson
*25.05.1803 in Boston, gestorben 27.04.1882 in Concord, Massachusetts. Essayist, Dichter und Philosoph.
Er war der Führer der amerikanischen Transzendentalisten. Von seinen Zeitgenossen unterschätzt hatte er
dennoch großen Einfluß auf das kulturelle Leben seiner Zeit.
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Erich Fried
*06.05.1921 in Wien. 1939 Anstellung als Bürogehilfe beim "Jewish Refugee Commitee".
Er gründet eine Selbsthilfegruppe, die "Emigrantenjugend", der es gelingt,
Menschen nach England zur Flucht verhelfen, u.A. auch Erich Frieds Mutter. Ab 1940
ist Fried Mitglied in zwei Flüchtlingsverbänden, dem "Freien Deutschen Kulturbund" und dem
"Austrian Centre", in denen er Schriftstellerkontakte knüpft.
Er veröffentlicht erste Gedichte. Auch nach dem Krieg folgen zahlreiche Veröffentlichungen
und mehrere Aufführungen der Übersetzungen u.A. Shakespeares. 1979 erscheinen seine
"Liebesgedichte". 1982 erhält Fried die Österreichische Staatsbürgerschaft wieder,
gleichzeitig behält er aber seine Britische. Veröffentlichungen (Kurzprosa
und Gedichte). 1986 erhält Fried vom Bundeskanzler Sinowatz den "Österreichischen Staatspreis für
Verdienste um die österreichische Kultur im Ausland". Lesereisen durch die DDR. Im gleichen Jahr im
Dezember wird ihm in Berlin die "Carl-von-Ossietzki-Medaille" verliehen. 1988 wird ihm die
Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück durch die Fachbereiche Sprach- und Literaturwissenschaft
zuteil. Am 22.11.1988 stirbt Erich Fried nach seiner dritten Krebsoperation.
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Ohne Dich
Nicht nichts
ohne dich
aber nicht dasselbe
Nicht nichts
ohne dich
aber vielleicht weniger
Nicht nichts
aber weniger
und weniger
Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel
Zuflucht
Manchmal suche ich Zuflucht
bei dir vor dir und vor mir
vor dem Zorn auf dich
vor der Ungeduld
vor der Ermüdung
vor meinem Leben
das Hoffnungen abstreift
wie der Tod
Ich suche Schutz
bei dir
vor der zu ruhigen Ruhe
Ich suche bei dir
meine Schwäche
Die soll mir zu Hilfe kommen
gegen die Kraft
die ich
nicht haben will.
Nur Nicht
Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte.
Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung
Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet
Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben
Was?
Was bist du mir?
Was sind mir deine Finger
und was deine Lippen?
Was ist mir der Klang deiner Stimme?
Was ist mir dein Geruch
vor unserer Umarmung
und dein Duft
in unserer Umarmung
und nach ihr?
Was bist du mir?
Was bin ich dir?
Was bin ich?
Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Gedichte lesen
Wer
von einem Gedicht
seine Rettung erwartet
der sollte lieber
lernen
Gedichte zu lesen
Wer
von einem Gedicht
keine Rettung erwartet
der sollte lieber
lernen
Gedichte zu lesen
Vielleicht
Erinnern
das ist
vielleicht
die qualvollste Art
des Vergessens
und vielleicht
die freundlichste Art
der Linderung
dieser Qual
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Johann Wolfgang von Goethe
*28.08.1749 in Frankfurt am Main. Er genießt Privatunterricht unter Aufsicht des Vaters
(Französisch, Latein, Griechisch sowie Englisch und Hebräisch).
1763 erste, historisch unbezeugte Jugendliebe zu "Gretchen". 1765 dann
Aufnahme des Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig. Dort Begegnungen mit Johann
Christoph Gottsched (1700-66) und Christian Fürchtegott Gellert. Bekanntschaft
mit dem Maler, Kupferstecher und Bildhauer Adam Friedrich Oeser. Freundschaft mit
Ernst Wolfgang Behrisch, verliebt sich in Anna Katharina ("Käthchen") Schönkopf.
1768 aufgrund einer schweren Krankheit und Heimreise nach Frankfurt. 1969: Fortsetzung seines
Studiums in Straßburg.
Liebe zu Friederike Brion in Sesenheim, Freundschaft mit Johann Gottfried Herder, Verbindung
zu den Stürmern und Drängern Johann Heinrich Jung-Stilling,
Heinrich Leopold Wagner, Jakob Michael Reinhold Lenz. Begeisterung für Shakespeare,
Volkslieder und dt. Baukunst. Von 1771 (Abschluß des Studiums mit der Promotion zum Lizentiaten
der Rechte am 06.08.) bis 1774 ist Goethe als Rechtsanwalt in Frankfurt tätig.
1775: Verlobung mit Anna Elisabeth ("Lili") Schönemann in Frankfurt. Erste Schweizreise mit den Grafen Stolberg
und Kurt von Haugwitz. Urfaust abgeschlossen.
Herzog Carl August lädt Goethe nach Weimar ein. Im Herbst dann: Lösung der Verlobung mit Lili Schönemann.
Am 7. November Ankunft in Weimar. Freundschaft mit Christoph Martin Wieland, erste Begegnung mit
Frau Charlotte von Stein. Goethe entschließt sich, in Weimar zu bleiben. Er wird zum Geheimen Legationsrat
ernannt und zieht in das Gartenhaus an den Ilmwiesen, das ihm der Herzog geschenkt hat.
September 1779 - Januar 1780: Zweite Schweizreise, diesmal mit Herzog Carl August. Auf der Rückreise
Besuch der Stuttgarter Karlsschule, deren Schüler Schiller damals war.
Am 12.07.1788 erste Begegnung, bald darauf Verbindung mit Christiane Vulpius, die er im Jahre 1806 heiratet.
Seine Frau war Tochter des Amtsarchivars Johann Friedrich Vulpius und Schwester des Schriftstellers Christian
August Vulpius. 1789: Am 25. Dezember Geburt von Goethes Sohn August. Bekanntschaft mit Wilhelm von Humboldt.
1794: Freundschaft mit Schiller, erste Begegnung mit Friedrich Hölderlin. 1796: Bekanntschaft mit August Wilhelm
Schlegel. ..to be continued..
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Meeresstille
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
ohne Regung ruht das Meer,
und bekümmert sieht der Schiffer
glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuren Weite
reget keine Welle sich.
Mignon
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt von aller Freude,
Seh' ich ans Firmament nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt, ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!
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Hermann Hesse
*02.07.1877 in Calw. Lebensstationen: Maulbronn, Tübingen und Basel.
ab 1924 Schweizer Staatsbürger, geboren war Hesse mit russischer Staatsangehörigkeit.
Drei Ehen, ab 1904 mit Maria Bernoulli, von der geschieden er 1923 Ruth Wenger
heiratet. 1931 schließt er die Ehe mit der Kunsthistorikerin Ninon Dolbin geb. Ausländer.
1891: Seminarist im evangelisch-theologischen Seminar im Kloster Maulbronn, welches
aber aber nach wenigen Monaten beendet. Mechanikerlehre bei der Calwer Turmuhrenfabrik
Perrot. In Tübingen und Basel erlernt er den Beruf des Buchhändlers und veröffentlicht
erste Schriften.
Ab 1904 lebt er als als freier Schriftsteller in Gaienhofen / Bodensee. 1906 erscheint
"Unterm Rad".
Nobelpreis für Literatur im Jahre 1946.
Ab 1912 wohnt er in Bern und zieht 1919 ins Tessin, Montagnola. 1917 erstmalige Verwendung
des Pseudonyms "Emil Sinclair". 1922: "Siddharta, eine indische Dichtung".
Sein wohl berühmtestes Werk "Der Steppenwolf" erscheint 1927; 1943 "Das Glasperlenspiel".
1947: Ehrendoktor der Universität Bern. Ehrenbürger von Calw. 1950 erhält er den Wilhelm-Raabe-Preis.
1955: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Am 09.08.1962 stirbt er in Montagnola.
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Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
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Karl Krolow
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Hoher Herbst
Die Kastanie fällt.
Die Walnuß wird geschlagen.
Das nasse Obst:
in Körben heimgetragen!
Der Wind aus West,
der Regen treibt die Blätter.
Das Astwerk bricht
herab im schweren Wetter.
Die graue Zeit
sinkt mit den Nebeln nieder.
Die Kühle greift
den Vögeln ins Gefieder.
Nur Rabenschrei
verhallt in leeren Wäldern
beim scharfen Rauch
aus den Kartoffelfeldern.
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Jörn Pfennig
*1944, der seine Jugend in Tübingen verbrachte, lebt und arbeitet seit
1964 in München als freier Schriftsteller und Jazzmusiker. Er studierte Germanistik
und Theaterwissenschaften.
- Texte und Kompositionen. Auch war er Autor und Moderator
bei verschiedenen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Ab 1979 mehrere Veröffentlichungen,
Lyrik und Prosa.
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Ohne Dich ...
Ohne dich ist mein Bett so endlos leer
ohne dich find ich meinen Platz nicht mehr -
mir fehln die Grenzen deiner Haut
mir war die Wärme so vertraut
neben dir.
Ohne dich ist die Nacht so zentnerschwer
ohne dich lauf ich hinter Träumen her -
du bist der Schatten an der Wand
du bist das Zittern meiner Hand
neben mir.
Wer atmet deinen Atem heute nacht
wer ist's, den deine Zärtlichkeit traurig macht
aus Angst, sie könnte morgen zu Ende sein -
wer sperrt sich heute nach in deine Liebe ein -
wer fühlt sich
dann ohne dich
genauso wie ich
völlig verlassen
versucht dich zu hassen
was doch so sinnlos ist
weil du kein Mensch zum Hassen bist!
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